Crowdfunding mit kickstarter in Deutschland

Mit erfolgreichen Crowdfunding Kampagnen sammeln Erfinder, Bastler und Künstler seit dem Launch von kickstarter in Deutschland im Schnitt 50.000 Euro, mit denen sie Ihre Ideen und Produkte auf den Markt bringen können. Dahin kommen jedoch nur 20% aller „creators“. Selbst eine erreichte Finanzierung ist kein Garant für eine erfolgreiche Umsetzung – technische Fallstricke, Steuern & Abgaben und mangelnde Marketing- und Produktmanagementerfahrung können sich für viele Projekte auch im Nachhinein als unüberwindbare Hürde erweisen. Insbesondere auf dem jungen Deutschen Markt fehlt häufig das Verständnis dafür, dass eine Kampagne auf einer Crowdfunding Plattform nur ein Baustein eines größer angelegten Projektes sein kann. Dieser Artikel soll hier ein klareres Verständnis schaffen.

kickstarter_kampagne

800.000€ sammelten die Erfinder von Miito, einem induktionsbasierten Design-Wasserkocher, 120.000€ kamen zusammen für “The Dwarves”, einem Brettspiel nach Romanvorlage und 100.000€ für den Film “Sky Sharks”, der wahrscheinlich so albern wird wie er sich anhört. Doch der Schein trügt: auch wenn kickstarter nur auf Volljährigkeit und eine gültige Kreditkarte prüft scheitern 4 von 5 “creators”, wie die Plattform sie nennt, und die Mühe war umsonst. Ganz hart trifft es dabei den Bereich Digitales: Websites, Apps und Computerspiele erreichen in Deutschland praktisch nie den Zielbetrag. Damit Ihr besser aufgetellt seid habe ich die einzelnen Komponenten einer Kampagne beleuchtet.

DAS PRODUKT

Schlank und unkompliziert, das sollten eure ersten Stichworte sein wenn Ihr eure Idee in ein Produkt umsetzen möchten. Nicht nur vermeidet Ihr auf diesem Wege unvorhergesehene Probleme in der Produktion. Ihr könnt auch schneller prüfen, ob Eure Idee echte Kunden überzeugt sich von ihrem Geld zu trennen (weil sie Ihre konkreten Probleme löst) und kommt auf einen realistischen Zielbetrag für Eure Kampagne. Statt beispielsweise Kapital zu sammeln für eine Drohne mit Spezialsoftware um Nährstoffe in Feldböden zu ermitteln konzentriert Ihr euch darauf, die Auswertungsergebnisse auf dem klassischen Wege zu gewinnen und herauszufinden was Landwirte bereit sind dafür auszugeben. Statt sich mehrere tausend Euro zu wünschen um ein Filmstudio aus dem Boden zu stampfen nehmt Ihr euren Content erst mal mit dem Handy auf und ladet ihn auf YouTube hoch um zu schauen ob es überhaupt Zuschauer gibt. In jedem Fall solltet Ihr ohne hervorragende Referenzen nicht erwarten im ersten Anlauf mehr als 50.000€ zusammenzutragen; wesentlich weniger bei Projekten mit geringem Aufwand.

Habt Ihr eine lebensfähige Idee und einen Zielbetrag gefunden solltet Ihr unbedingt hier schon mit Produktionsfirmen verhandeln, eine Timeline mit Meilensteinen ausarbeiten und Vorverträge abschließen. So stellt Ihr sicher, dass Ihr auch die Rahmenbedingung einer eventuellen Massenproduktion oder eines Großprojektes kennt und entsprechend kalkulieren könnt. Nicht selten ändert sich außerdem die Preisgestaltung der Dienstleister dramatisch, wenn Eure Kampagne ein öffentlicher Erfolg war. Für die ganz Vorsichtigen gibt es vor allem für physische Produkte auch Fulfilment-Spezialisten, die Euch außer der Idee und dem Marketing alles aus der Hand nehmen – bei fehlender Erfahrung durchaus das Geld wert.

DIE KUNDSCHAFT

Ohne Kundschaft kein Produkt. Die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen sind der Faktor an dem aus einer Idee ein Produkt wird. Viele „creators“ erwarten, dass Kundschaft sie findet, wenn sie die Kampagne bei kickstarter einstellen. Tatsächlich läuft es genau umgekehrt: Auswertungen zeigen, dass Kampagnen die in den ersten 3 Tage nicht mindestens ein Viertel ihrer Zielsumme erreichen, nach hinten raus keinen Erfolg haben werden. Unter anderem liegt das daran, dass Fans und Presse wenige Anreize haben eine dahinsiechende Kampagne zu streuen. Frühe Erfolge sind das A und O. Und diese bekommt nur, wer vor der Kampagne mit seiner zukünftigen Kundschaft in Kontakt tritt und im Dialog mit ihnen das Produkt auf Kundennutzen hin optimiert. Bietet auf sozialen Netzen für Eure Kunden interessante Informationen an; beratet, wenn Kunden mit Konkurrenzprodukten Schwierigkeiten haben – ohne ständig auf Euer eigenes Projekt hinzuweisen. Baut einen Rapport in der Nutzergemeinschaften auf als jemand der sich mit der Materie auskennt. Am Ende wird die Kampagne nur ein Erfolg, wenn die Kundschaft Euer Produkt wirklich will.

DAS UNTERNEHMEN

Auch wenn kickstarter sich immer einen sehr einfachen Anstrich geben möchte: In Deutschland ist eine Kampagne in den allermeisten Fälle eine gewerbliche Handlung die auch einen entsprechenden Schein voraussetzt. Versäumt Ihr einen solchen zu beantragen, kann neben einem Bußgeld auch eine Reihe weiterer Unannehmlichkeiten auf Euch zukommen. Der Hinweis von kickstarter, sich mit und bei seinem Steuerberater über sein Vorhaben zu informieren sollte unbedingt befolgt werden. Unter ungünstigen Umständen fallen neben den Gebühren von kickstarter selbst noch Gewerbesteuer und Einkommenssteuer auf den Zielbetrag an. Bis zu 60% der Summe kann so verloren gehen und eine mit 100.000€ erfolgreiche Kampagne schnell in einen Alptraum verwandeln. Auch wie man Einnahmen verbucht, rechtssicher Verträge mit Zulieferern aushandelt und Rücklagen bildet sollten Ihr geklärt haben, bevor Ihr live geht.

DIE KAMPAGNE

Das Produkt ist ausgereift und präsentierbar, die Kundschaft fiebert dem Launch entgegen und für einen glatten Ablauf während und nach der Kampagne ist gesorgt? Dann könnt Ihr euch jetzt an die Kampagne selbst machen. Auch hierbei gibt es eine Reihe von Punkten zu beachten. Erfolgreiche Produkte nutzen grundsätzlich klare, kurze Beschreibungen die die wichtigsten Nutzen für den Kunden enthalten, Risiken bennenen und die Lösungskompetenz des Teams demonstrieren. Vermeidet lange Geschichten über Euer Leben und postet keinesfalls an dieser Stelle Euren Business Plan. Bedenkt, dass Ihr hier Privatmenschen überzeugen möchtet Euch zu unterstützen. Zeigt – am Besten im Video – euch und euer Produkt. Belegt, dass Ihr mehr seid als ein Hobbyist der seine unausgegorenen Ideen über die Plattform finanzieren möchte.

Wenn Ihr euch an einem der Punkte unwohl fühlt, weil Ihr euch unsicher seid oder nicht glaubt dass die Beschreibung wirklich mitreißt, geht in jedem Fall noch mal ein paar Schritte zurück. Fragt die Community und den Steuerberater. Jede Herausforderung die Ihr jetzt, vor dem Launch, identifizieren und beheben könnt bedeutet viele gesparte Kopfschmerzen im späteren Verlauf. Aus vorherigen Überlegungen solltet Ihr wissen, was das absolute Minimum ist, das Ihr für ein schlankes Produkt benötigt. Kalkuliert lieber etwas großzügiger, berücksichtigt die Gebühren wie etwa die rund 10% die kickstarter und die Zahlungsdienstleister aufrufen, die Kosten für Eure „pledge rewards“ und verwendet die resultierende Summe als Zielbetrag. Für Erweiterungen und Verbesserungen nutzen erfolgreiche Kampagnen das sog. Stretch Goal System – definiert damit weitere Punkte bei deren Erreichung Ihr das Produkt entsprechend verbessert. Dies schafft für die Community den Anreiz nicht nach Erreichen des Zielbetrages aufzuhören beizutragen und kann bei geschickter Kalkulation etwas Luft in den ursprünglichen Plan bringen.

Auch die “pledge rewards” genannten Belohnungen leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass Besucher der Kampagne Ihr Portemonnaie öffnen: Hier definiert Ihr welche Gegenleistungen Kunden erwarten können. Im Einfachsten Fall bietet Ihr hier ein Exemplar des fertigen Produktes oder der Dienstleistung an sobald Ihr mit der Produktion fertig seid. Damit verankert Ihr auch gleich den Endpreis für das Produkt in den jeweiligen Ausführungen. Flankierend solltet Ihr mehrere kleinere und größere Rewardstufen anbieten, die den Brand unterstützen (für diejenigen die lieber bis zur Markteinführung warten möchten) respektive VIP-Status wie etwa besondere Ausführungen des Produktes oder tiefere Einblicke in den Prozess anbieten. So ist sicher gestellt, dass jeder für seine individuelle Zahlungsbereitschaft einen sinnvollen Gegenwert bekommt.

LAUNCH & PRODUKTION

Mit dem Launch wird es spannend, denn die nächsten maximal 60 Tage zählen; baut auf dem initialen Schub der Community auf, veröffentlichet regelmäßig Updates auf kickstarter und Euren anderen Kanälen und bleibt für Kommentare und Anregungen erreichbar. Geht davon aus, dass eine Person in dieser Phase Vollzeit an der Kampagne arbeiten wird. Auch und gerade beim Erreichen der Meilensteine wie des Zielbetrages oder der “Stretch Goals” empfiehlt sich ein groß angelegter Schwung an Nachrichten um die Gemeinschaft auch auf die weiteren Ziele heiß zu machen.
Es ist eine Herausforderung, die notwendige Summe zusammen zu bekommen. Aber mindestens genau so groß ist im Anschluss der Aufwand, sowohl das Produkt als auch alle Rewards auszuliefern. Hier macht sich bezahlt, dass Ihr euer Team und die notwendigen Aufgaben bereits im Vorfeld geklärt habt. Folgt dem Plan und lasst die Backer bei jedem Meilenstein an Ihren Erfolgen teilhaben. Auch wenn Ihr auf unvorhergesehene Probleme treffen solltet – informiert die Community frühzeitig und teilt mit, wann Ihr wieder im Plan seid oder was für Änderungen an den Fertigstellungsterminen Ihr erwartet. Tolle Gelegenheiten bieten sich hier für digitale Projekte: bietet für sog. “Slacker Backer” an, zum Kampagnenpreis noch ihr Produkt zu erwerben, indem sie auf Eine Shopseite ausserhalb von kickstarter verweisen. So proben Ihr auch gleich schon mal den Ernstfall, nämlich Euer fertiges Produkt über Eure eigene Plattform zu vertreiben. Viel Erfolg!

(Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe des screenguide magazin)

1 Gedanke zu “Crowdfunding mit kickstarter in Deutschland”

  1. Das Interesse an Crowdfunding steigt mittlerweile immer weiter an und ist es beeindruckend zu sehen, was dadurch schon alles für tolle Projekte auf die Beine gestellt werden konnten. Dennoch, man sollte nicht die ganze Arbeit vergessen, die hinter solchen Projekten steckt.

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