Kaum zu glauben, aber wahr: als lebenslanger Gaming Fan und extrem Interessierter an der Industrie (durch Jimquisition, Bombcast und Game Theory etc.) war ich noch nie auf der Gamescom. Es reizt mich gar nicht, Triple-A Titel vor Ihrem Release anzuspielen, die ich wahrscheinlich eh erst in 1-2 Jahren kaufen würde (kaum Zeit und mittlerweile 300+ ungespielte Games in meiner Steam Library stellen eine signifikante Hürde dar). Und noch weniger, ein bis zwei Stunden dafür anzustehen. Doch die Einladung beim IG Game Jam 2016 auszuhelfen, die Entwicklung von indie games hautnah zu erleben und den Fokus zu spüren, den fast 200 Entwickler aus 27 Ländern ausstrahlen – die Gelegenheit war zu gut um sie verstreichen zu lassen.
Und so war ich von Mittwoch bis Freitag auf der Gamescom. Den ersten Tag verbrachte ich in erster Linie damit, meine Tasche kontrollieren zu lassen und mich dann am falschen Eingang anzustellen. Als kleine Entschädigung für 2 Stunden Schlange stehen sollte ich dann durch überfordertes Personal mit einem Press Badge “belohnt” werden, das mir im Endeffekt wohl aber keine Vorteile gebracht haben wird. Immerhin habe ich es noch geschafft, das Team um den Jam kennen zu lernen. Allen vorran Wolf Lang, selbst Designer und Indie Developer unter dem Label threaks, der mit seinem Team um Mena Jacobs die Organisation für Innogames übernommen hat. Nach einer sehr coolen Keynote von Adriel Wallick aka @MsMinotaur, die über ihr Leben als Indie Entwicklerin sprach (und dabei zu meiner Freude auch über sustainable pace, lean und pomodoro sprach) ging es direkt an den Kickoff des Jams.
Die folgenden zwei Tage saßen also besagte 200 Entwickler zusammen um in 48 Stunden spielbare Prototypen zu bauen. Die Bandbreite war dabei enorm. Von einfachen 2d-Puzzles über 3D-Shooter mit Multiplayer bis hin zu VR-Experiences mit Brillen und allem Zipp und Zapp war alles vertreten. Der grosse Abräumer sollte dann auch Panoptes sein, ein sehr hübsch aussehendes Zweispieler Spiel, bei dem ein Spieler versucht einen Turm zu erklimmen und sich in einer Menge zu verstecken, während der andere via VR Brille Big Brother mäßig über den Dingen schwebt, um ihm mit einem gezielten Laserschuss den Garaus zu machen. Nachdem ich auf dem Weg zur Messe noch überlegt hatte zu twittern, wie sehr der Hype um VR doch an die Motion-Control Welle vor einigen Jahren erinnert sollte mich die Erfahrung am eigenen Leib eines Besseren belehren. Das Gefühl, direkt im Spiel zu sein ist – zumindest für den Einsteiger – sehr beeindruckend. Neben Panoptes durfte ich noch einem Team helfen indem ich deren Demo ausprobierte und einen Ball und diverse andere Gegenstände durch ein Kinderzimmer warf und an der Indie Arena Booth “Giant Cop” anspielen, ein Prototyp von Other Ocean und ebenfalls aus einem Game Jam entstanden. Dort “entsorgt” der Spieler als besagter riesiger Cop Betrunkene in einer wie ein Mülleimer anmutenden Polizeiwache. Noch wirkt es sehr albern, Entwickler Jordan Gailbraith verspricht aber für das Endprodukt eine Storyline, die exzessive Polizeigewalt und den Polizeistaat verurteilt. Allen gemein ist jedoch, dass sie unterschiedliche, untereinander inkompatible VR-Lösungen verwenden. Das dürfte auch in Zukunft ein Hemmnis für die Verbreitung werden, wenn nicht…
Ja, wenn da nicht Olli Eberlei wäre, Organisator der besagten Indie Arena Booth und Entwickler des Holo Café, einer Art Spielhalle für VR, die noch dieses Jahr für den Otto-Normal-Verbraucher die Tür zu VR-Erlebnissen öffnen soll. Man darf gespannt bleiben, aber die Rückkehr von gemeinsamen Spielerlebnissen in Kombination mit einer Bar-Atmosphäre kann ich persönlich nur sehr begrüßen. Ich vermisse die Automaten von damals schmerzlich. Überhaupt die Indie Arena Booth. Dort präsentieren auf über 600qm 80 kleine Studios ihre Games und boten sie häufig auch direkt zum Verkauf an. Nach dem Jam habe ich bei der ihm angeschlossenen Booth wohl die meiste Zeit verbracht. Es ist erfrischend, mit Entwicklern statt mit PR-Experten und Hostessen ins Gespräch zu kommen. Auch mit Niels von weirdbeard und Mischa von Black Forest Games habe ich mich länger unterhalten können. Niels präsentierte mit seinem kleinen Team den Multiplayer-Hit “Tricky Towers”, eine 4-Spieler Abwandlung von Tetris mit echter Physik und einer Menge Möglichkeiten bei den Kontrahenten Unfug anzustellen. Das Spiel war im August für ps+ Mitglieder kostenlos und ich wollte wissen, inwieweit es der Reichweite des Spiels geholfen hat (Antwort: sehr). Finanziert hat das Team die Entwicklung über Auftragsarbeiten außerhalb des Gaming Bereiches. Black Forest Games sind in der Indie Szene schon fast ein Star. Mit ihrem Remake des Klassikers Giana Sisters starteten sie auch die erste erfolgreiche Gaming Kampagne aus Deutschland auf kickstarter. Auch ihren aktuellen Titel “Rogue Stormers” haben sie auf diesem Wege finanziert – auch wenn es diesmal erst im zweiten Anlauf klappen sollte (und auch eigenes Geld in die Entwicklung geflossen ist). Beide Games habe ich direkt vor Ort zum Messepreis kaufen können. Geil für Couch Co-Op.
Ob ich wohl auch auf dem Rest der Messe war? Ich bin offen gestanden nur ein mal drüber gelaufen, weil ich eine Tasche suchte, nachdem ich nach dem ersten Tag keine Lust mehr hatte mich ganz hinten anzustellen. Lust, bis zu 2 1/2 Stunden zu warten um Battlefield oder Dishonored anzuspielen hatte ich nicht, dafür haben Indie und Retro Arena zu viel zu bieten und auch viel geringere Wartezeiten. Dort habe ich auch die Jungs von Retroblah angetroffen, die lustige Hacks und alten Kram und eine Game Boy camera am Start hatten. Schön, sich mal in echt zu erleben! Nächstes Jahr bin ich mit Sicherheit wieder dort anzutreffen und hoffe, dass ich wieder beim Jam helfen darf. Vielen Dank dem Orga-Team für dieses coole Event und die Gelegenheit mitzuwirken.
Vielen Dank auch den Sponsoren, insbesondere Intel , BIU , Kickstarter und die Gamescom selbst, die durch Sachspenden und finanzielle Unterstützung diesen tollen Jam ermöglicht haben.